Konkrete Hilfe, Unterstützung und Bewältigungsstrategien

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Neurodermitisschulungen verbessern Behandlungserfolg

Chronisch krank zu sein bedeutet, dass man sehr viel bewusster darauf achten muss, was einem guttut, was den Verlauf der Krankheit verbessert oder zumindest nicht anheizt. Das gelingt umso besser, je mehr man über die Erkrankung weiß und die Möglichkeiten zur Linderung der Symptome kennt. Patientenschulungen leisten hier wertvolle Unterstützung. Seit vielen Jahren gibt es spezielle Neurodermitisschulungen, die sich an Betroffene und gezielt an Eltern neurodermitiskranker Kinder richten.

Nach einer ärztlichen Diagnose ist es heutzutage üblich, erst einmal das Internet dazu zu befragen. Im Falle von Neurodermitis wird man da sehr schnell fündig. Man kann eine Menge über diese Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten erfahren, zudem finden sich zahlreiche Tipps und Hinweise, wie sich der Alltag mit Neurodermitis bewerkstelligen lässt. Diese Informationen sind ohne Frage hilfreich und ermöglichen einen allgemeinen Überblick. Doch oft genug werfen sie Fragen auf, die nicht konkret beantwortet werden und dann weitere Recherchearbeit nach sich ziehen. Zudem ist das Krankheitsbild individuell sehr unterschiedlich. So kommt es vor, dass die Fülle an Informationen, Meldungen und auch Meinungen, die im Internet zu Neurodermitis kursieren, Ratlosigkeit und Verunsicherung auslöst.

Um medizinische Fragen zum Krankheitsbild und -verlauf zu klären, wendet man sich am besten an den behandelnden Hautarzt. Er wird auch die möglichen Behandlungsstrategien erläutern. Wenn es um praktische Hilfe für den alltäglichen Umgang mit Neurodermitis geht, ist im Rahmen der üblichen ärztlichen Sprechstunde häufig nicht die Zeit, dies in aller Ausführlichkeit zu besprechen. Diese Aufgabe übernehmen Neurodermitisschulungen. Sie richten sich gezielt an Betroffene oder, da Neurodermitis meist in den ersten Lebensjahren diagnostiziert wird, an Eltern erkrankter Kinder. Bescheinigt der Arzt die medizinische Notwendigkeit der Schulungsmaßnahmen, so kann ein Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse gestellt werden (s. Kasten).

Der Gesetzgeber hat im Sozialgesetzbuch V (Bestimmungen zur gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland) die Rechtsgrundlage für die Förderung und Durchführung von Patientenschulungen zu Lasten der Krankenkassen im Rahmen der ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation geschaffen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).

Unter „Patientenschulung“ werden interdisziplinäre, informations-, verhaltens- und handlungsorientierte Maßnahmen für chronisch Kranke und ggf. ihre Angehörigen bzw. ständigen Betreuungspersonen verstanden, die grundsätzlich in Gruppen durchgeführt werden. Patientenschulungen sind indikationsbezogen und dienen der Optimierung des Krankheitsselbstmanagements von Patientinnen/Patienten.

Das bedeutet: Im Regelfall werden die Kosten für die Patientenschulung auf Antrag von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Die entsprechenden Antragsformulare erhalten Sie in Ihrem Schulungszentrum.

Schulungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern erkrankter Kinder

Das Schulungsprogramm wurde von der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung e.V. (AGNES) erarbeitet und wird in verschiedenen Zentren bundesweit angeboten. Um die Qualität der Schulungen zu gewährleisten, haben die Neurodermitistrainer und -dozenten eine Zusatzqualifikation erworben. Da es bei Neurodermitis so viele verschiedene Aspekte zu berücksichtigen gilt und es diverse krankheitsauslösende und -verstärkende Faktoren gibt, besteht das Schulungsteam aus Experten verschiedener Fachrichtungen, üblicherweise einem Arzt (Hautarzt oder Kinderarzt), einem Psychologen oder Pädagogen, einem Ernährungsberater sowie einer Pflegefachkraft (Kinderkrankenpfleger, Arzthelfer).

Ziele der Patientenschulung
  • Information und Aufklärung: Die Teilnehmer sollen durch die Schulung in die Lage versetzt werden, Inhalte und Hintergründe zum Krankheitsgeschehen sowie die Therapiemöglichkeiten zu verstehen und für sich nutzen zu können
  • Positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs und langfristige Besserung der Hautekzeme
  • Vermittlung von Bewältigungsstrategien und Verbesserung der Lebensqualität
  • Abbau von Angst und Minderwertigkeitsgefühlen und Senkung psychischer Belastungen in der Familie
  • Steigerung der Therapiemotivation im Sinne der Umsetzung von Behandlungserfordernissen
  • Reduzierung von Arzt- und Therapiewechsel
  • Reduzierung von stationären Maßnahmen

Das Schulungsprogramm wird als Gruppenmaßnahme in geschlossenen kleinen Gruppen durchgeführt. Um eine altersgerechte Schulung anbieten zu können, erfolgt die Kinder- und Jugendlichenschulung in zwei Altersgruppen (8–12 Jahre und 13–17 Jahre). Die Gruppenstärke ist dabei in den Kindergruppen auf maximal 8, in den Jugendgruppen auf 12 Betroffene beschränkt. Außerdem gehört zu jeder Kinderschulung auch eine Elternschulung, die entweder als parallele oder als gemeinsame Veranstaltung angeboten wird. Bei Jugendlichen ist die Schulung der Eltern optional möglich. Sind die Kinder jünger als 8 Jahre, finden reine Elternschulungen statt.

Die Schulungen umfassen in der Regel 6 Unterrichtseinheiten (Module) à 2 Zeitstunden und finden einmal in der Woche statt (s. Kasten).

Diagnose sichert gute Behandlung

Der sicherste Weg zur verlässlichen Diagnose und angemessenen Behandlung ist daher der Gang zum Hautarzt oder zur Hautärztin. Der Arzt oder die Ärztin kann meist schon an Aussehen und Lokalisation der Hautveränderungen erkennen, ob es sich um Neurodermitis handeln könnte. Der Krankheitsverlauf sowie ein möglicher Kontakt mit Provokationsfaktoren erhärten den Verdacht. Wichtig ist jedoch auch, mögliche Grunderkrankungen, Allergien und die Einnahme von Medikamenten abzuklären und Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Dazu werden bestimmte Diagnosekriterien für Neurodermitis überprüft (s. Kasten).

Module der Patientenschulung

Modul 1: Einleitung, Gruppenzusammenhalt
Vorstellung, Kennenlernen, Vertrauen aufbauen, Erfahrungen, Erwartungen, Wünsche, Berichte

Modul 2: Motivierende Aufklärung zur Erkrankung und Behandlung
Anatomie, (Patho-)Physiologie, Ursachen, Folgen, Symptome, Risiken, Prognose

Modul 3: Kompetenzen für die Selbstregulation im symptomarmen Intervall
Nichtmedikamentöse und medikamentöse Basistherapie, Körper- und Symptomwahrnehmung, Therapiesteuerung, Alltagstransfer

Modul 4: Kompetenzen für das Selbstmanagement bei akuter, deutlicher Verschlechterung (Exazerbation)
Wahrnehmung von akuter und schleichender Verschlechterung, Therapiesteuerung, Vermeidung von bzw. adäquater Umgang mit akuten Krisen

Modul 5: Bewältigungsstrategie (Coping) im Familiensystem
Krankheitsverarbeitung, Umgang mit Herausforderungen und Belastungen, Ziele, Einschränkungen, Krankheit im Alltag und im sozialen Kontext

Modul 6: Abschluss
Zusammenfassung, Wiederholung, Evaluation der Teilnehmer, Abschluss, evtl. individuelle Abschlussgespräche

Quelle: Qualitätsmanagement in der Neurodermitisschulung von Kindern und Jugendlichen sowie ihren Eltern, Hrsg.: Arbeitsgruppe Qualitätsmanagement der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung (AGNES) e.V.; 2020

Schulungsinhalte

Bei den ersten Treffen geht es um die medizinischen Grundlagen der Neurodermitis und mögliche Auslöser, die ein Arzt genauer erklären wird. Psychologen bzw. Psychotherapeuten werden auf die verschiedenen psychischen Belastungen eingehen, mit denen die Patienten zu kämpfen haben, aber auch auf die Probleme, die sich möglicherweise innerhalb der Familie auftun, wenn ein Kind besonders viel Zuwendung benötigt. Teil dieses Moduls sind z. B. Verhaltenstraining, Entspannung und Stressbewältigung. In einer weiteren Schulungseinheit stehen Hautbild und -pflege bei Neurodermitis im Fokus. Hier geben Pflegekräfte praktische Tipps zur Pflege und zum Schutz der empfindlichen Haut. Kinder, Jugendliche und Eltern lernen z. B., was zur Basispflege der Haut gehört, wie Umschläge und Verbände angelegt werden oder dass z. B. das Auftragen einer leicht gekühlten Creme den Juckreiz besser lindern kann. Zu den möglichen Auslösefaktoren eines Neurodermitisschubs zählen einige Nahrungsmittel. Daher gehört auch eine Ernährungsberatung zum Schulungsprogramm. Hier werden Eltern u. a. erfahren, wann es sinnvoll ist, bestimmte Lebensmittel zu meiden, und wie sich eine ausgewogene Ernährung ihres Kindes dennoch sicherstellen lässt. Zu erklären, welche medizinischen Behandlungsmaßnahmen es gibt und wann diese zum Einsatz kommen, ist dann wieder Aufgabe des Arztes.

Schulungen für betroffene Erwachsene

In Anlehnung an das Schulungsprogramm AGNES wurde von der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung für Erwachsene (ARNE) eine Neurodermitisschulung für betroffene Erwachsene entwickelt. Die Lerninhalte entsprechen denen der Eltern-, Kind- und Jugendlichenschulungen. Ergänzend kommen Therapiemöglichkeiten speziell für erwachsene Neurodermitispatienten sowie sozialmedizinische Aspekte, z. B. berufliche Einschränkungen durch Neurodermitis, Erwerbsminderung oder Rehabilitationsmöglichkeiten, hinzu.

Raum für individuelle Fragen

Bei den Neurodermitisschulungen wird viel Wissen vermittelt, doch es ist kein Frontalunterricht. Ziel ist es, dass ein Austausch zwischen Teilnehmern und Dozenten stattfindet und auf konkrete Fragen eingegangen werden kann. Die erwachsenen Neurodermitispatienten führen z. B. über den gesamten Schulungszeitraum ein Kratztagebuch, das regelmäßig besprochen wird. Zudem findet immer wieder ein Austausch über die Erfahrungen statt, die man mit den erlernten Strategien, z. B. zur Juckreizvermeidung und Stressbewältigung, gemacht hat.

Wie hilfreich und effektiv die ambulanten Neurodermitisschulungen für Patienten bzw. Eltern sind, wird durch zahlreiche Studien belegt. Das bedeutet, bei den meisten Patienten verbessert sich das Hautbild, schwere Krankheitsschübe werden seltener bzw. schwächen sich ab, erscheinungsfreie Zeiten werden länger und damit steigt die Lebensqualität der Patienten sowie ihrer Familien ganz erheblich.

Weitere Informationen zur Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung e.V. (AGNES), der Struktur und den Inhalten der Neurodermitisschulungen finden Sie im Internet unter: www.neurodermitisschulung.de. Dort finden Sie eine Übersicht über Schulungszentren und Ansprechpartner in Ihrer Nähe.

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